1.393 Kilometer Grenzanlagen, beginnend am Priwall, trennten jahrzehntelang Familien und Freunde, zerschnitt Ortschaften, Wirtschaftsregionen und Verkehrswege. Die Lübecker waren nah am Geschehen, denn die Hansestadt befand sich als einzige Großstadt direkt am „eisernen Vorhang“ und verlor einen großen Teil ihres Hinterlandes. Der Ortsteil Schlutup besaß den nördlichsten Grenzübergang für Straßenverkehr zwischen der BRD und der DDR. Wer damals im Westen unmittelbar im Grenzgebiet wohnte, durfte im „kleinen Grenzverkehr“ über Selmsdorf in die DDR einreisen, um Verwandte in oft nur wenigen Kilometern Entfernung zu besuchen. Auf dem Priwall, der vom Westen her nur mit der Fähre erreichbar war, verlief die Grenze entlang des Travemünder FKK-Strandes. Zwei Wachtürme der Nationalen Volksarmee (NVA) standen im Gebüsch, in unmittelbarer Nähe zu den Badenden. Die Grenze war im Lübecker Leben allgegenwärtig.

Aus der DDR zu flüchten war lebensgefährlich – Grenzstreifen, Selbstschussanlagen, Wachhunde und Grenzsoldaten machten die Flucht in den Westen so gut wie unmöglich. Erst nach dem Mauerfall 1989 wurden die tödlichen Grenzsicherungs- und Sperranlagen abgebaut und die Bodenminen gesprengt, die Grenzübergangsstelle Selmsdorf abgerissen, der ehemalige Todesstreifen zum Naherholungsgebiet. Mag sein, dass die Grenzöffnung in Berlin mit mehr Medienaufmerksamkeit gefeiert wurde, aber Freudentränen, Begeisterung und große Erleichterung gab es auch in Lübeck auf beiden Seiten.